Leben, wo früher Züge ratterten

Europaviertel: Durch Umnutzung ehemaliger Bahnflächen entsteht ein neues Stadtviertel

Projektsteckbrief

Projekttitel: „Europaviertel“

Themenknoten: Planen und Bauen
Projektziele: Umnutzung der brachgefallenen Flächen des ehemaligen Hauptgüterbahnhofes und seines Rangierfeldes zu einem attraktiven, gemischt genutzten Stadtquartier, Erweiterung des Frankfurter Messegeländes, Planung großzügiger Grünflächen und stadträumliche Vernetzung der angrenzenden Stadtteile

Planungsgebiet: westlich der Frankfurter Innenstadt, ­zwischen den Stadtteilen Bockenheim und Gallus, GPS-Koordinaten 50.108151, 8.635140

Projektbeginn: 1998

Projektende: 2021/22

Beteiligte: Stadtplanungsamt und weitere Fachämter

Das Europaviertel wächst seit über 15 Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Frankfurter Hauptgüterbahnhofs. Es ist eines der größten innerstädtischen Konversionsprojekte in Deutschland. Durch die Umnutzung nicht mehr genutzter Bahnflächen entsteht ein attraktives, gemischt genutztes Stadtquartier mit Gewerbeflächen, einem Park und Wohnungen für etwa 15.000 Menschen.

Mit der Stilllegung des Hauptgüterbahnhofs und seines Rangierfelds bot sich für Frankfurt die große Chance, etwa 100 ha innerstädtischer Bahnflächen umzunutzen und ein neues Stadtquartier entstehen zu lassen. Die trennende Wirkung der Gleisanlagen konnte aufgehoben und die umliegenden Stadtteile besser miteinander verknüpft werden. Für die in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Frankfurter Messe bot sich die einmalige Möglichkeit, den innerstädtischen Standort zu erweitern. Das Gebiet liegt westlich der Frankfurter Innenstadt zwischen Messe, Gallusviertel und Rebstock.

Die planerischen Voraussetzungen schaffen

Der Betrieb auf dem Hauptgüterbahnhof wurde im Jahr 1998 eingestellt. Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung beschloss im Jahr 2000 einen Rahmenplan, der für die ehemaligen Bahnflächen eine Nutzung zu je einem Viertel für Wohngebiete, Grünflächen, Messeerweiterung und Mischgebiete vorsah. Er bildete die Grundlage für die weiterführenden Planungen wie etwa Bebauungs- und Erschließungspläne und wurde in den folgenden Jahren kontinuierlich fortgeschrieben.

Die Flächen des Hauptgüterbahnhofs (östlich der Emser Brücke) konnten zügig entwidmet werden, und bereits im Mai 2001 wurde der Bebauungsplan für den östlichen Teil des Europaviertels rechtsverbindlich. Die neue Messehalle 3 und das Mövenpickhotel waren hier die ersten Hochbauten. Mittlerweile sind große Teile des Gebiets bebaut.

Das Rangierfeld (westlich der Emser Brücke) blieb auch noch nach der Aufgabe des Güterbahnhofs in Betrieb und wurde bis Mitte 2005 für Durchfahrten genutzt. Dies machte eine gestaffelte Entwicklung des westlichen Europaviertels erforderlich. Die entsprechenden Bebauungspläne traten Anfang 2008 und Mitte 2010 in Kraft.

Ein abwechslungsreiches Stadtquartier bauen

Rückgrat der Planung ist die 60 Meter breite, begrünte Europa­allee, die vom Güterplatz im Europaviertel Ost kommend auch das westliche Planungsgebiet strukturiert. Die boulevardartige Straße wird von einer siebengeschossigen, geschlossenen Blockrandbebauung gefasst. Die nördliche Bebauung übernimmt auch die Aufgabe, die Erweiterungsflächen der Messe mit ihren großen Messehallen in den Stadtraum einzubinden.

Im nordwestlichen Teil des Gebiets entstehen zwei aufgelockerte reine Wohnquartiere, wovon eines, die „Helenenhöfe?, zu einem Großteil dem geförderten Wohnungsbau angehört. Insgesamt ist im Europaviertel ein Anteil von 30 Prozent an geförderten Wohnungen angestrebt. In der mittleren Lage entstehen gemischt genutzte Quartiere mit Büros, Wohnungen, Gastronomie und sozialen Einrichtungen.

Gegenüber der ursprünglichen Planung wuchs die Zahl der Wohnungen von 3.500 auf etwa 6.000, auch weil auf einigen Grundstücken wie etwa am Güterplatz Wohnungen statt Büros entstehen. Das dort geplante Wohnhochhaus „Grand Tower“ wird 160 Meter hoch und damit Deutschlands höchster Wohnturm sein. In den 47 Stockwerken sind 401 Eigentumswohnungen geplant. Auch am Boulevard West und an der Emser Brücke werden Gebäude dieses Typs gebaut, wenn auch in geringerer Höhe. Eine neue Grundschule und Kindertagesstätten an fünf Standorten sind für das neue Stadtquartier vorgesehen. Super­märkte, Geschäfte, Gastronomie und Arztpraxen werden die Nahversorgung sicherstellen.

Neue grüne Verbindungen entstehen

In der Mitte des westlichen Gebiets wird die Europaallee auf einer Strecke von 400 Metern in einen Tunnel abtauchen. Oberhalb des Tunnels wird bis 2017 der ca. 6 ha große Europa­garten angelegt. Als „Stadtgarten der Zukunft“ soll er ein Ort der Begegnung und Kommunikation und ein Anziehungspunkt für das Europaviertel und die angrenzenden Stadtteile sein. Im Frühjahr 2013 entstand mit dem kleinen Gleisfeldpark und dem dreieckigen Zeppelinpark eine durchgehende Grünverbindung zum Rebstockpark und zum Naherholungsraum der Nidda. Der Lotte-Specht-Park stellt seit 2014 nach Süden eine grüne Verbindung zum Gallusviertel her.

Ein Biotop zieht um

Im Schotterbett der Gleisfelder fand sich eine große Artenvielfalt. Für die Mauereidechse, das seltene Silbergras, die blauflügelige Ödlandschrecke und andere Arten, die unter Schutz stehen und in Hessen stark gefährdet sind, wurde im Westen des Quartiers auf den früheren Zufahrten zum Güterbahnhof ein rund 7,4 ha neuer Lebensraum geschaffen.

Für Nachhaltigkeit ausgezeichnet

2012 wurde das Europaviertel als eines der ersten fünf Stadtquartiere in Europa mit dem Nachhaltigkeitszertifikat in Platin ausgezeichnet. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) würdigt damit die ökologische, ökonomische, soziokulturelle sowie funktionale und technische Qualität des Stadtquartiers.

Umnutzung

Umnutzung des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs und seines Rangierfelds für Gewerbeflächen, Parks und ca. 6.000 Wohnun­gen nahe der Innenstadt; Erweiterung der Messe Frankfurt am innerstädtischen Standort.

Stadtquartier

Wohn- und gemischte Quartiere ­entlang des großzügigen Boulevards; 30 Prozent geförderte Wohnungen; Nah­versorgung mit Super­märkten, ­Geschäften, Gastronomie und Arztpraxen, Grundschule und Kitas.

Verbindungen

Trennende Wirkung der Gleisanlagen aufheben und Stadtteile wieder ver­binden; ­Erschließung durch öffent­lichen ­Nahverkehr mit neuer U-Bahn-Linie; Grün­verbindung zur Nidda durch ­Europapark und weitere neue Parks.

Stadtplanungsamt Frankfurt am Main

Ulrich Kriwall
Telefon 069 212-33253
ulrich.kriwall(at)stadt-frankfurt.de